Lager als Teil von Abschottungspolitik

Lager im Kontext von Abschottungspolitik

Hört man den Begriff „Lager“, kommen einem vielleicht zuerst Assoziationen wie Obhut, Schutz und Rast in den Sinn. In den Lagern für Menschen auf der Flucht an den europäischen Außengrenzen, ist von diesen Grundsätzen jedoch seltenst etwas zu finden, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die überfüllten Lager bieten kaum einen Schutzraum für Menschen und es mangelt an medizinischer Versorgung, Hygienestandards und ausreichend Nahrung. (mehr dazu: siehe „Lebensbedingungen in den Lagern“). Von einem Tag auf den anderen, verlieren Menschen ihre Bewegungsfreiheit und sind der Macht der Behörden und Aufsichtskräften im Lager ausgesetzt.

Warum gibt es überhaupt Lager? Warum müssen Menschen auf der Flucht dort leben?

Das dauerhafte Bestehen von Lagern zeugt von einer Planlosigkeit der EU, wie sie eine solidarische und menschenrechtsbasierte Flüchtlings- und Migrationspolitik gestalten soll. Anstatt die Menschen zügig auf die EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen und für eine gelungene Aufnahme zu sorgen, liegt der politische Fokus auf der Abschottung und Sicherung der EU-Außengrenzen. Somit entstehen immer mehr Lager an den europäischen Außengrenzen: Orte, an denen Menschen auf der Flucht aufgehalten werden. Lokale Behörden und Regierungen sind häufig mit der Organisation und Versorgung der Lager überlastet und verweisen auf die Verantwortung der EU. Die EU wiederum verLAGERt ihre Verantwortung an die Außengrenzen. Menschen auf der Flucht werden somit zum Spielball, indem die Verantwortung für geflüchtete Menschen zwischen den Regierungen und Organisationen hin- und hergeschoben werden. Die internationale Organisation für Migration (IOM) spielt dabei eine wichtige Rolle. Als ausführende Kraft ist sie nicht frei von den unterschiedlichen Interessen. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass sich IOM in die Abschottungspolitik der EU einreiht, anstatt Menschen während ihrer Flucht zu versorgen und Schutzraum zu bieten.

Als gefängnisartige Orte dienen die Lager der gewaltvollen Kontrolle von Migrationsbewegungen. Die Aufenthaltsdauer in einem Lager kann sehr unterschiedlich lang sein. In den meisten Fällen müssen sich die Menschen während des gesamten Prozesses des Asylverfahrens in Lagern aufhalten. Allein der Zeitraum bis zur Antragsstellung kann bereits mehrere Monate dauern, sodass Menschen u.a. in Griechenland bis zu vier Jahre oder länger in Lagern leben müssen. Durch gewaltsame Pushbacks, die zahlreich trotz Verstoß gegen geltendes Recht an den Außengrenzen der EU durchgeführt werden, verlängert sich die Aufenthaltsdauer in Lagern. Menschen werden trotz Grenzüberquerung in das Land zurück gepusht, aus dem sie die Grenze überquert haben und sind so gezwungen, wieder in ein Lager zurück zu kehren.

Wo gibt es Lager? Warum werden sie selten in der medialen Berichterstattung erwähnt?

Die Orte, an denen solche Lager aufgebaut sind, werden strategisch ausgesucht und liegen häufig sehr abgeschieden. Es gibt keine Anbindung an den öffentlichen Verkehr, was die selbstständige Versorgung oder rechtliche Beratung außerhalb des Lagers zu erhalten, nahezu unmöglich macht. Journalist*innen und Menschenrechtsorganisationen ist oft der Zugang zu den Lagern verwehrt. Dies macht einmal mehr deutlich, was für eine Politik hinter dem Aufbau der Lager steckt: Nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ werden Menschen weggesperrt, ihrer Autonomie beraubt und zum Spielball politischer Entscheidungen gemacht.

Moria, Lipa, Kara Tepe (Moria 2)… Die genaue Anzahl der Lager innerhalb der EU und an ihren Außengrenzen in Spanien, Italien, Griechenland, Zypern, Bosnien… zu bestimmen ist schwer. Zu den zahlreichen offiziellen Camps, geleitet von Organisationen wie IOM, Danish Refugee Council oder dem Roten Kreuz, kommen inoffizielle Lager, in denen Menschen in provisorischen Zelten/Hütten Schutz suchen, hinzu. Allein in Griechenland steigt die Zahl der Lager sowohl auf den Inseln als auch auf dem Festland. Eine genaue Karte findest du hier…..

Abgesehen von der Berichterstattung über die Brände beispielsweise in Moria, ist die mediale Präsenz über die aktuelle Situation von flüchtenden Menschen, insbesondere der Bedingungen in den Lagern sehr gering. Das ist kein Zufall, sondern zeigt die politische Haltung der Verdrängung. Es wird uns EU-Bürger*innen leicht gemacht, die Menschenrechtsverletzungen in den Lagern auszublenden.

Wir wollen diese Zustände jedoch nicht länger hin nehmen! Deshalb sagen wir NEIN zu Lagern! Ob in Deutschland, innerhalb der EU oder an den europäischen Außengrenzen: Lager sind keine menschenwürdige Form der Unterbringung und werden in der Abschottungspolitik als Orte der Kontrolle missbraucht!

Wir fordern sichere Fluchtrouten und Bewegungsfreiheit für alle!

Welchen Widerstand gibt es gegen die Lagerpolitik der EU?

Menschen die in Lagern leben wehren sich gegen die menschenrechtswidrige Form der Unterbringung. Immer wieder gibt es lokale Demonstrationen, die von betroffenen aus den Lagern heraus organisiert werden. Initiativen wie Refugees4Refugees und MoriaCoronaAwarenessteam sind ein Beispiel für die Vernetzung und Selbstorganisierung von Betroffenen, die sich nicht nur für die Versorgungslage innerhalb der Lager einsetzen, sondern auch politische Forderungen gegen die Abschaffung von Lagern stellen!

Auch in Deutschland gibt es zahlreichen Widerstand aus der Zivilgesellschaft: Kampagnen wie „Wir haben Platz“, „Nie wieder Moria“ (..) und „Aufnahme statt Abschottung“ bemühen sich, Druck auf die Regierung auszuüben und fordern: No Lager! Damit jede Person eine Chance auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit hat. Damit Menschenrechte für alle Menschen gelten.

Unter Seebrücke und Balkanbrücke (Instagram) findest du mehr Informationen. Hilf uns, Lager und die Menschenrechtsverletzungen an den EU Außengrenzen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen sondern auf die politische Agende zu setzen!

Quellenverzeichnis: