Endlich bekommen Flüchtlinge in Deutschland Grundsicherung! – Nur leider nicht alle.

Pressemitteilung der Antirassistischen Vernetzung NRW vom 10.05.2022

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine sollen ab Juni 2022 direkten Zugang zu den vollen Leistungen des SGB II bzw. XII bekommen. Das ist sehr zu begrüßen. Damit können sie ihren Wohnsitz frei wählen und erhalten sofort Zugang zu notwendigen Integrationsangeboten, wie Sprachkursen, Schulbildung und das Recht auf Arbeit. Gesundheitsleistungen werden ihnen dann direkt in vollem gesetzlichen Umfang gewährt. Daneben steht ihnen zukünftig ein deutlich höherer Regelsatz als nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zur Verfügung.

Offenbar hat sich nun doch die Erkenntnis durchgesetzt, dass die stark reduzierten Leistungen des AsylbLG kein würdiges Ankommen in Deutschland ermöglichen.

Für alle anderen asylsuchenden Menschen in Deutschland soll das Asylleistungsbewerbergesetz allerdings weiter gelten. Die Tatsache, dass nicht alle Geflüchteten gleichermaßen Zugang zum knapp bemessenen Existenzminimum und zur Teilhabe in dieser Gesellschaft bekommen, ist nicht zu begründen und nicht hinnehmbar.

Es kann nur als tiefsitzender Rassismus gewertet werden, dass diese Verbesserungen ausschließlich für weiße, europäische Geflüchtete aus der Ukraine eingeführt werden sollen, während Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien, Somalia etc. weiter unter den unwürdigen Lebensbedingen des AsylbLG verharren sollen.

Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 aus ordnungs- und migrationspolitischen Gründen eingeführt und sollte explizit eine abschreckende Wirkung auf Schutzsuchende haben. Die Höhe dieser Sozialleistung ist bis heute um ein Fünftel niedriger als die Leistungen nach dem SGB II. Ein alleinstehender Mensch erhält statt 449 nur 367 Euro im Monat. Außerdem wird die Leistung vorwiegend in Form von Sachleistungen erbracht. Das heißt für die Bezieher*innen: Kantinenessen, Einkaufsgutscheine statt Bargeld und dass sie auf lange Sicht in Lagern und Sammelunterkünften festsitzen. Vor allem dann, wenn sie (noch) einem Arbeitsverbot unterliegen. Medizinische Versorgung steht den Betroffenen zudem nur in minimalem und absolut notwendigem Rahmen zu.

Die seit dem 24.Februar 2022 hohe Zahl neu ankommender Ukraine-Geflüchteter konnte bisher nur ohne Massenobdachlosigkeit bewältigt werden, weil Unzählige von ihnen bei Freund*innen, Verwandten oder anderen solidarischen Menschen Unterkunft gefunden haben. Dort können sie eher zu Ruhe kommen, als dies in großen Sammelunterkünften möglich ist. Es ist daher absolut sinnvoll, dass die Geflüchteten selbst entscheiden können, wo sie wohnen wollen und dass sie nicht in Flüchtlingslager gezwungen werden.

Um Platz für ukrainische Geflüchtete zu schaffen, die nicht direkt privat unterkommen können, wurden viele andere geflüchtete Menschen aus ihrer bisherigen, vertrauten Umgebung gerissen. Sie wurden in andere, noch beengtere Landesunterkünfte verlegt und somit ihren sozialen Netzen, dem Kontakt zu Unterstützer*innen und der Nähe zu ihrer anwaltlichen Hilfe entrissen. Viele von ihnen haben auch Verwandte, Freud*innen oder Partner*innen, bei denen sie gerne wohnen würden. Es ist ihnen aber wegen der Wohnverpflichtung des Asylgesetzes verwehrt. Das AsylbLG zwingt sie, diese gesundheitsschädlichen, gefährlichen, psychisch belastenden und integrationsfeindlichen Bedingungen auszuhalten.

Der doppelte Standard, mit dem Menschen – je nach Fluchtland – derzeit begegnet wird, ist unerträglich. Für die Betroffenen selbst, aber auch für alle Unterstützer*innen, Ehrenamtler*innen, Freund*innen oder Sozialarbeiter*innen, die jeden Tag mit dieser Zweiklassengesellschaft der Geflüchteten konfrontiert sind, die sie i.d.R. nicht mittragen wollen. Das Zugeständnis eines menschenwürdigen Lebens darf nicht an bestimmte Herkunftsländer gekoppelt werden. Deshalb muss das Asylleistungsbewerbergesetz abgeschafft werden. Auch in der Asylpolitik muss gelten: Gleiches Recht für alle!

Die Antirassistische Vernetzung NRW setzt sich für eine würdige und willkommen-heißende Aufnahme für alle Geflüchteten ein.

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