Bericht aus einem Flüchtlingslager

Uns hat ein Bericht von Bewohner*innen eines Lagers in der Nähe von Speyer, Rheinland-Pfalz, erreicht, den wir hier teilen wollen. Die Bewohner*innen berichten über die Ignoranz, mit der auf die Bedürfnisse von Geflüchteten mit Handicap nicht eingegangen wird. Sie haben deshalb einen Offenen Brief an die zuständige Behörde verfasst. Darin berichten sie auch über andere Missstände, Intransparenz und respektlosen Umgang. Der Bericht deckt sich mit dem, was wir auch aus anderen solchen Einrichtungen immer wieder hören.

Die ADD ist die „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion“ des Landes Rheinland-Pfalz, das für die Unterbringung und Zuweisung von Geflüchteten zuständig ist.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind Bewohner:innen der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Speyer und wollen hiermit Beschwerde gegen die ADD und einige untragbare Zustände in der Einrichtung einreichen. Wir fordern, dass unser Beschwerde Gehör gegeben wird.

Anlass für unsere Beschwerde ist die schlechte und z.T. diskriminierende Behandlung seitens von ADD-Mitarbeitern in der Unterkunft sowie die Intransparenz, mit der Entscheidungen über unser Leben und unseren Verbleib in der Unterkunft getroffen werden.

Herr H* hat eine körperliche Beeinträchtigung, da er nur noch 20 Prozent Sehfähigkeit hat. Aufgrund dieser Beeinträchtigung ist er auf Hilfe angewiesen. Herrn H* wurde von der ADD versprochen, dass eine ihm vertraute Person, der er vertraut und auf die er sich verlassen kann, mit ihm zusammen in eine Kommune zugewiesen wird, so dass er Unterstützung im Alltag bekommt. Ihm wurde von der ADD angeboten, dass er 3-4 Personen auflistet, von denen einer mit ihm gemeinsam kommunal zugewiesen werden könne.

Herr H* soll nun am 15. Juli kommunal zugewiesen werden, aber entgegen dem Versprechen der ADD wurde ihm nun verwehrt, dass eine von ihm genannte Vertrauensperson mit ihm kommen kann.

Herr H* und Herr Z* sind daher am 10. Juni als Protest in den offenen Hungerstreik getreten. Sie informierten Sozialarbeiter:innen und medizinisches Personal der Unterkunft sowie die Polizei. Sie haben sich zudem an die Öffentlichkeit gewandt. Sie mussten den Hungerstreik jedoch aus gesundheitlichen Gründen wieder abbrechen.

Sie und wir fordern dennoch, dass das Herrn H* gegebene Versprechen eingehalten wird und Herr H* gemeinsam mit einer von ihm genannten Person das Wohnheim verlassen kann.

Wir, die Unterzeichnenden, die im Wohnheim leben, unterstützten den offenen Hungerstreik der beiden. Wir machen Sie für die Folgen des offenen Hungerstreiks verantwortlich, sollte ihnen kein Gehör verschafft
werden.

Wir nehmen den Hungerstreik zum Anlass, um uns über einige Missstände, die unseren Alltag im Wohnheim betreffen, zu beschweren:

  1. Einige ADD-Mitarbeiter:innen handeln mit Willkür und verhalten sich z.T. rassistisch gegenüber den Mitbewohne:innen des Wohnheims. Wir fordern, dass wir mit Respekt behandelt und nicht diskriminiert werden.
    Wir sind Menschen und haben das Recht, menschlich behandelt zu werden.
  2. Es herrscht ein Mangel an Transparenz bei den Antworten auf unsere Fragen. Wir wollen z.B. genau wissen, was der Prozess für den Transfer in die Kommune ist. Einige Heimbewohner:innen können das Heim schneller verlassen und andere müssen sehr lange warten. Dabei scheint die Auswahl für uns willkürlich. Mehr Transparenz und ein besseres Verständnis unsererseits sind nicht nur gut für uns, sondern auch für Sie.
  3. Die Qualität des Essens ist sehr schlecht und es fehlen uns wichtige Nährstoffe.
  4. Zwei Drittel der Toiletten sind ständig kaputt, was bei der Anzahl der Heimbewohner:innen unhygienisch ist und schlimmstenfalls zu einer Seuchengefahr führen kann. Nicht nur wegen der derzeitigen Corona-Pandemie ist es wichtig, dass genug sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen, sodass die Gefahr von Ansteckungen reduziert werden kann.

Es ist nicht neu für die ADD, Beschwerden von den Bewohner:innen der Einrichtung zu erhalten. Also haben wir beschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, bis Sie unsere Forderungen akzeptieren. Wenn Sie unsere Forderungen erfüllen, um die Situation in der Unterkunft zu verbessern und das Problem des diskriminierenden Verhaltens gegenüber Bewohner:innen anzugehen, werden wir die Öffentlichkeit über die Schritte informieren, die Sie unternehmen, wenn dies Ihren Wünschen entspricht.

Wir appellieren an Ihr Gewissen und Ihr Verantwortungsbewusstsein, die Situation zu verbessern, da die derzeitigen Bedingungen so nicht mehr tragbar sind. Wir bitten Sie, unsere Beschwerde ernst zu nehmen und auf unsere Anliegen einzugehen. Wir sind zu einem Gespräch mit Ihnen bereit, um unsere Anliegen im Detail zu erörtern und Lösungen für unsere Probleme zu finden.

Bleiben Sie gesund!
Hochachtungsvoll“

Düsseldorf- Demonstration ‘Close the Camps – Break Isolation’

am Freitag, 25.06.2021, 17 Uhr

Am 25.06. um 17 Uhr startet unsere NRW-weite No-Lager-Demonstration in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofes (DGB Haus, Friedrich Ebert-Straße 34 – 38). Wir demonstrieren gegen die Lagerunterbringung von Geflüchteten. Dabei kritisieren wir die Lager in Griechenland und auf dem Balkan genauso wie die in NRW.

Treffpunkt DGB-Haus,
Friedrich-Ebert-Str. 34-38
40210 Düsseldorf

Köln – Informationsrundgang

Informationsrundgang zur Situation von geflüchteten Menschen in Lagern  

Menschen auf der Flucht werden eingesperrt, entrechtet und isoliert. Die No-Lager Aktionstage NRW wollen für eine menschenwürdigere Aufnahme und dezentrale Unterbringung von Geflüchteten streiten – denn so wie es ist, kann es nicht bleiben. 

Auch in Köln ist das Thema weiterhin aktuell. Vor dem Hintergrund eines aktuellen Ratsbeschlusses zur Abschaffung der Lagerunterbringung auf kommunaler Ebene ist es jetzt wichtig, dass dies zu einer wirklich nachhaltigen und zeitnahen Verbesserung der Lebenssituation von geflohenen Menschen führt.

Auf dieses und weitere Themen möchten wir in Köln am 27.06. von 13 bis 17 Uhr mit verschiedenen Organisationen, Initiativen und Gruppen im Rahmen der Aktionstage mit einem Inforundgang auf dem Heumarkt aufmerksam machen.

Weiterhin findet am 22.06. ein Webinar statt, mehr dazu hier.

Wuppertal – 24 Stunden gegen das Vergessen

Dauermahnwache und Lesung der #Seebrücke Wuppertal

Samstag 19.06. ab 12:00 bis Sonntag 20.06. 12:00, Utopia Stadt, Wuppertal-Elberfeld

24 Stunden lang werden Namen von Menschen verlesen, die auf ihrer Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind. Tagsüber werden ergänzend dazu im halbstündigen Wechsel Texte von Geflüchteten und Erfahrungsberichte aus der Seenotrettung und der Flüchtlingsarbeit an den EU-Außengrenzen zu hören sein.

Draußen gibt es tagsüber einen Infostand der Seebrücke und die Möglichkeit, Kerzen für die Verstorbenen aufzustellen.
Die Lesung wird per Internet gestreamt und vor Ort nach draußen übertragen.

Die Dauermahnwache wird eingeleitet mit einem Gespräch mit Dr. Achim Stein, der als Wuppertaler Arzt von seinem Einsatz in der Seenotrettung berichtet.
Die Mitleser:innen kommen vom Tanztheater Wuppertal, vom TalTonTheater, vom Verein für die Förderung der Städtepartnerschaft Wuppertal – Matagalpa / Nicaragua, aus der Flüchtlingsberatung, von der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule, vom Infobüro Nicaragua, von Partei und Ratsfraktionen der Linken und der B90/Grünen, von Tacheles und Mampferando, von Amnesty International.
Es wirken mit eigenen Beiträgen mit die Autorin Christiane Gibiec für den Verband deutscher Schriftsteller und die Autorenvereinigung im Tal, der Musiker und Komponist Uli Klan, Vorsitzender Internationale Armin T. Wegner Gesellschaft, Olaf Reitz, Sprache, Schauspiel, Regie, Intervention und engagierte Wuppertaler:innen und natürlich Mitglieder der Seebrücke Wuppertal.

Die Aktion bildet den Auftakt für eine Kampagne zu “Sicherer Hafen Wuppertal”. Wir wollen medienwirksam Aufmerksamkeit auf die Abschottungspolitik der EU lenken und eine Diskussion beginnen, was es bedeutet, “Sicherer Hafen” zu sein.
Unser Vorhaben, auf dem Vorplatz des Bahnhofs Mirke einen dauerhaften Gedenkort für diejenigen einzurichten, die auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind, dient auch diesem Ziel. Der 20.Juni ist Weltflüchtlingstag und ein Aktionswochenende der Seebrücke, bei dem bundesweit Aktionen geplant sind.

Menschenrecht sind #unverhandelbar.
Die Opfer der EU-Flüchtlingspolitik sind #unvergessen

Webinar – Abschiebung aus der Unterkunft

Soziale Arbeit zwischen institutionellen Zwängen & politischem Anspruch

Es wird weiter abgeschoben. Trotz der Corona-Pandemie sind für Juni 2021 Sammelabschiebungen unter anderem nach Afghanistan, Albanien, Nordmazedonien, Pakistan, Serbien und Tunesien angekündigt. Ungeachtet der politischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Lage in den Herkunftsländern zwingt die Bundesrepublik also weiterhin Menschen zurück in Verfolgung, Armut und Diskriminierung.
Wenn Menschen diese traurige Realität droht, sind insbesondere sozialen Fachkräften und ehrenamtlichen Helfer*innen scheinbar die Hände gebunden. Sie erleben bei der Begleitung von geflüchteten Menschen wiederholt einen Widerspruch zwischen eigenem (Berufs-) Ethos und staatlichen Zwängen: Einerseits wollen sie Menschen unterstützen und ihnen zu einer selbstbestimmten Perspektive verhelfen, andererseits müssen sie rechtlichen und behördlichen Vorgaben folgen. Teilweise werden sie durch Arbeitgeber*innen dazu gedrängt, gegen ihre eigene Überzeugung zu handeln und beispielsweise bei der Abschiebevollstreckung zu kooperieren o.ä.. Wie können sich Mitarbeiter*innen in diesem Spannungsfeld verhalten? Was sollte getan werden, wenn z. B. der Ablehnungsbescheid oder die Aufforderung zur Ausreise eingegangen ist? Was können Fachkräfte während einer Abschiebung aus der Unterkunft tun, um die Rechte der Bewohner*innen zu schützen? Was darf die Polizei, was darf sie nicht?
Der kritische Sozialwissenschaftler und Sozialarbeiter Sebastian Muy berät in Berlin Geflüchtete und wird zu diesen Fragen einen fachlichen Input geben. Während der Veranstaltung gibt es die Möglichkeit Rückfragen zu stellen und gemeinsam zu diskutieren.
Die Veranstaltung richtet sich insbesondere an Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich geflüchtete Menschen begleiten.

Wann: Dienstag, 22.06.2021, 18.00 – 19.30 Uhr
Die Veranstaltung findet per Zoom statt. Anmeldungen bis zum 21.06.2021 per E-Mail unter rechtaufasyl@gmx.de [nicht über facebook]. Der Zugangslink wird kurz vor der Veranstaltung per E-Mail zugeschickt.

Eine Veranstaltung der AG Bleiben
in Kooperation mit DBSH (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.)

Die Veranstaltenden behalten sich vor, Personen, die extrem rechten Parteien oder Organisationen angehören, der extrem rechten Szene zuzuordnen sind oder bereits durch rassistische, nationalistische, antisemitische, sexistische, lsbtiq*-feindliche, klassistische, ableistische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind oder in Erscheinung treten, den Zutritt zur Zoom-Veranstaltung zu verwehren oder sie von dieser auszuschließen.”

PM #2 zur „No-Lager-Aktionswoche“

“Die forcierte Isolation in den Lagern muss durchbrochen werden”

Pressemitteilung #2 
18. Juni 2021 

Am morgigen Samstag, den 19. Juni starten in mehreren NRW-Städten die
No-Lager-Aktionstage: Rund um den Welttag der Geflüchteten (20. Juni)
wird es bis zum 27. Juni zahlreiche Demos, Aktionen, Ausstellungen und
Diskussionsrunden rund um die Flüchtlingsaufnahme im Allgemeinen und
besonders in NRW gehen. Die Antira-Vernetzung NRW fordert eine
menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten, dezentrale Unterbringung
und die Schließung aller großen Sammellager. Am Freitag, 25. Juni gibt
es in Düsseldorf eine NRW-weite Demonstration.
“Die öffentliche Aufmerksamkeit richtete sich in den letzten Monaten
aus guten Gründen auf die unmenschlichen Bedingungen in Lagern wie
Moria an den EU-Außengrenzen. Aber die Isolation und das Wegsperren
findet eben auch hier in NRW statt. Dahinter steckt politisches Kalkül:
es ist einfacher, Menschen abzuschieben, die noch keine
Arbeitskolleginnen, Nachbarn, Mitschülerinnen und Freunde hier haben.
Diese politisch forcierte Isolation wollen wir durchbrechen”, so Franka
Schmidt von der Antirassistischen Vernetzung NRW.

Folgende Veranstaltungen werden in den nächsten Tagen stattfinden:

Sa. 19.6. – Aachen, ab 15 Uhr, Auf dem Markt
Kundgebung 
Für die Evakuierung und Schließung aller Flüchtlingslager; für
sicher und legale Fluchtwege
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Sa. 19.6. bis So.20.06. – Wuppertal, von 12 bis 12 Uhr, Utopia
Stadt/Mirker Bahnhof
Lesung und Kundgebung
24-Stunden gegen das Vergessen
_ _
So. 20.6. – Münster, ab 14 Uhr, Münster bekennt Farbe-Wiese
Mahnwache in Gedenken an alle Opfer des rassistischen
Migrationssystems anlässlich des Welttags der Geflüchteten
_ _
Mo. 21.6. – Siegen, Innenstadt
Infostand
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Mo. 21.6. bis 27.6. – Düsseldorf, Kiefernstr.4 (K4)
Ausstellung „Leben in der ZUE” (Eröffnung 21.6. um 18 Uhr)
Installation eines Mehrbettzimmers aus einer ZUE (Zentrale
Unterbringungseinrichtung)
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Di. 22.6. – Online (ZOOM), 18 Uhr bis 19:30 Uhr
Webinar
Abschiebung aus der Unterkunft – Soziale Arbeit zwischen
institutionellem Zwang und politischem Anspruch”
Anmeldung unter: rechtaufasyl@gmx.de
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Mi. 23.6. – Münster, ab 12 Uhr – Münster bekennt Farbe-Wiese
Zeltinstallation mit Info-Spazierweg zu den Camps an den Außengrenzen
und den Unterbringungseinrichtungen in NRW und in Münster.
Kundgebungen zwischen 15 Uhr und 18 Uhr
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Fr. 25.6. – Düsseldorf, Beginn 17:00 – DGB Haus (Nähe Hbf)
Zentrale Demonstration der NoLager-Aktionswoche
mit Redebeiträgen von Aktivist*innen & Geflüchteten und den
„Mittelmeer-Monologen”
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So. 27.06. – Köln, 13 Uhr bis 17 Uhr, Beginn auf dem Heumarkt
Inforundgang und -Parcours
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So. 27.06. – Münster, Beginn 14 Uhr, Aaseekugeln 
Fahrraddemo mit anschließender Kundgebung vor der ZUE Münster

Aufrufe und weitere Infos zu allen Veranstaltungen und Aktivitäten
finden Sie auf unserer Webseite: https://no-lager.eu/

Kontakt und Interviewanfragen:
Mail: info@no-lager.eu

PM #1 zur “No-Lager-Aktionswoche”

Lager schließen, Geflüchtete dezentral unterbringen!

Pressemitteilung #1
13. Juni 2021

In zahlreichen Städten in NRW wie in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Münster, Siegen und Wuppertal wird es vom 19. bis 27. Juni 2021 vielfältige Protestaktionen gegen die Unterbringung von Gefüchteten in Lagern geben. Zu der “No Lager-Aktionswoche” ruft die Antirassistischen Vernetzung NRW auf, in der sich antirasssistische Akteure aus NRW zusammengeschlossen haben. Die Aktionswoche richtet sich gegen die Isolation und systematische Ungleichbehandlung und Entrechtung von Geflüchteten durch Lager an den EU-Außengrenzen und in NRW.
Neben den dezentralen Kundbegungen, Kunstaktionen, Vorträgen etc wird es am Freitag, den 25. Juni 2021 eine zentrale NRW-weite Demonstration unter dem Titel “Close the camps – break isolation!” in Düsseldorf geben, um auf die Situation in den Sammelunterkünften aufmerksam zu machen.

Im Aufruf der Aktionswoche heißt es: “Massive Gesetzesverschärfungen ermöglichen es, dass den Menschen in den Lagern fundamentale Rechte u.a. auf Privatsphäre, Beschulung, medizinische Regelversorgung oder Arbeitsmöglichkeiten systematisch vorenthalten werden.
Viele Menschen sind bis zu 2 Jahre dem Kreislauf von Enge, permanenten Kontrollen, Monotonie, Angst vor Abschiebung und Gewalt ausgesetzt. In den abgelegenen Lagern wird ihnen der Kontakt zur übrigen Bevölkerung faktisch unmöglich gemacht, und die politische und soziale Vernetzung mit anderen Geflüchteten erschwert.
Ihre Isolation ist politisch gewollt. Sie soll einen reibungslosen Ablauf der schwerpunktmäßig aus NRW-Landesunterkünften stattfindenden Abschiebungen ermöglichen und zugleich die öffentliche Debatte über die von der Gesellschaft abgeschotteten Lager verhindern.
Diese Selbstverständlichkeit von Entrechtung und Isolation geflüchteter Menschen muss durchbrochen werden. Es muss endlich eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema der Aufnahme und menschenwürdigen dezentralen Unterbringung von Geflüchteten geben.”
Die Antirassistische Vernetzung NRW möchte mit der “No Lager-Aktionswoche” die Entrechtung Geflüchteter öffentlich thematisieren, antirassistische Akteure vernetzen und ein solidarisches Zeichen an die Menschen in den Lagern senden.

Informationen zur “No Lager-Aktionswoche” vom 19. bis 27. Juni 2021 und den geplanten Aktivitäten gibt es online unter: https://no-lager.eu/
Twitter: @AntiraNRW

Kontakt und Interviewanfragen:
Mail: info@no-lager.eu

Düsseldorf – 24/7 Ausstellung “Leben in der ZUE…“

Installation eines Mehrbettzimmers aus einer Zentralen Unterbringungseinrichtung

Mo. 21.6. bis 27.6. – Düsseldorf, Kiefernstr. 4 (K4) 
Eröffnung 21.6. um 18 Uhr 

Sechs einander fremde Menschen in einem Raum. Nicht für ein paar Tage im Hostel in Berlin oder Lissabon, sondern für mehrere Monate oder sogar Jahre. So leben Asylsuchende in NRW, seit die Landesregierung 2018 den Asyl-Stufenplan eingeführt hat. Wie das aussehen kann, zeigen wir in einer eindrücklichen Ausstellung im Kulturbureau K4.

No-Lager-Aktionswoche

Demonstration ‘Close the Camps – Break Isolation’
am Freitag, 25.06.2021, 17 Uhr

Aufruf zur No-Lager-Aktionswoche vom 19. bis 27. Juni 2021

Seit der Corona-Pandemie spitzt sich die Situation in den Lagern sowohl an den EU-Außengrenzen als auch in der BRD zu.

Während überall in der Gesellschaft Kontaktreduzierung und Social Distancing propagiert wurden, mussten Menschen in den Lagern auf engem Raum zusammenzuleben und sich Schlaf-, Essens- und Waschräume teilen. Den infolgedessen auftretenden Infektionen unter den Bewohner*innen wurde auch in NRW durch Ketten-Quarantänen begegnet. Anstatt die Bewohner*innen durch eine dezentrale Unterbringung zu schützen, wurden sie der Ansteckungsgefahr ausgesetzt und durch neu auftretende Infektionen über Wochen eingesperrt.

Hier verdeutlicht sich auf drastische Weise die systematische Ungleichbehandlung und Entrechtung von Geflüchteten, denen selbst das Recht auf Gesundheit und Leben in Zeiten einer gefährlichen Pandemie verweigert wird.
Dies ist nicht einfach eine Überforderung in der Corona-Krise, sondern in dem „System Lager“ seit Jahren strukturell angelegt. Massive Gesetzesverschärfungen ermöglichen es, dass den Menschen in den Lagern fundamentale Rechte u.a. auf Privatsphäre, Beschulung, medizinische Regelversorgung oder Arbeitsmöglichkeiten systematisch vorenthalten werden.

Viele Menschen sind bis zu 2 Jahre dem Kreislauf von Enge, permanenten Kontrollen, Monotonie, Angst vor Abschiebung und Gewalt ausgesetzt. In den abgelegenen Lagern wird ihnen der Kontakt zur übrigen Bevölkerung faktisch unmöglich gemacht, und die politische und soziale Vernetzung mit anderen Geflüchteten erschwert. 

Ihre Isolation ist politisch gewollt. Sie soll einen reibungslosen Ablauf der schwerpunktmäßig aus NRW-Landesunterkünften stattfindenden Abschiebungen ermöglichen und zugleich die öffentliche Debatte über die von der Gesellschaft abgeschotteten Lager verhindern.

Diese Selbstverständlichkeit von Entrechtung und Isolation geflüchteter Menschen muss durchbrochen werden. Es muss endlich eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema der Aufnahme und menschenwürdigen dezentralen Unterbringung von Geflüchteten geben.

Mit den No-Lager-Aktionswochen wollen wir dies in die Öffentlichkeit tragen, antirassistische Akteure vernetzen und ein solidarisches Zeichen an die Menschen in den Lagern senden.

Beteiligt euch an den Aktionen!
Bleiberecht für alle!

Close the camps – break isolation!

Demonstration ‘Close the Camps – Break Isolation’
am Freitag, 25.06.2021, 17 Uhr

Sammellager in NRW und das Corona-Virus

Enge, Isolation und schlechte Infrastruktur machen krank. Nicht nur, aber ganz besonders während einer Pandemie.

Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, wird mit Lagerhaft nicht unter sechs Monaten bestraft. In NRW sind es mitunter bis zu zwei Jahren. So sieht es der Stufenplan der Landesregierung vor. Von dieser Regelung, die die Kommunen entlasten und Abschiebungen erleichtern, vor allem aber abschrecken soll, weicht die Landesregierung auch während der Corona Pandemie nicht ab.

Während überall sonst Menschenansammlungen vermieden werden sollen, müssen sich Leute in Sammelunterkünften zu sechst einen Schlafraum und mit Hunderten anderen Duschen und Esssäle teilen. Wie nicht anders zu erwarten, infizierten sich viele unter diesen Bedingungen. Zum Höhepunkt der zweiten Welle stand allein in NRW praktisch die Hälfte aller Landesunterkünfte unter Quarantäne.

Verschärft wurde die Situation gerade zu Beginn der Pandemie sowohl durch schlechte Kommunikation als auch durch fehlende Infrastruktur. Fast nirgendwo gab es Schutzmasken, fast überall zu wenig Desinfektionsmittel. Zwar versuchte die Landesregierung in NRW, aufgrund von Alter oder Vorerkrankungen besonders gefährdete Personen in Jugendherbergen sicherer unterzubringen und so die Belegung insgesamt zu entzerren. Andererseits wurden Transfers in die Kommunen bis Juni 2020 ausgesetzt, so dass die regulären Einrichtungen eher voller als leerer wurden.
Ein iranischer Geflüchteter berichtete, dass die Essenszeiten in seinem Lager zwar ausgedehnt wurden, damit nicht alle auf einmal in der Kantine sitzen – gleichzeitig gab es in der Einrichtung aber nur in einem einzigen Raum stabiles WLAN, so dass sämtliche BewohnerInnen sich dort knubbelten, wenn sie sich über COVID-19  informieren oder wissen wollten, wie es ihrem  Angehörigen und FreundInnen geht. 

Onur Şahin, der während der zweiten Welle selbst an Corona erkrankte, berichtet auf die Frage, ob sich die Situation in seiner Flüchtlingsunterkunft in Kassel in der zweiten Welle verändert hat:

„Im Mikromanagement hat sich nichts geändert. Sie haben nur Zettel aufgehängt an die Wände: Abstand halten, Maske, Nase und Mund bedecken. Und Hände waschen. Das war die einzige Maßnahme. Sie hatten keine strukturierten Pläne für die verschiedenen Camps. Als es im Oktober einen Corona-Fall gab, haben sie uns nichts davon gesagt.“ 

Und Mariama Jatta erinnert sich:

„ Als Corona anfing, haben sie in der Stadt verkündet: “Okay, es gibt diese neue Regelung in Deutschland, dass nur ein paar Leute zusammenkommen dürfen. Wenn es mehr sind, muss man aus dem gleichen Haushalt kommen.” Ich dachte mir: “Okay, dieses Gesetz wurde gemacht, und sie haben uns dabei komplett vergessen.” Sie haben überhaupt nicht bedacht, dass dies ein Haushalt mit 700 Leuten ist. Denn dies ist ein Haushalt. Wir teilen uns die Küche, wir teilen uns das Bad, wir haben Kontakt, die Kinder spielen zusammen. Und es wurden keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Wir hatten keine Desinfektionsmittel, keine Informationen. Wir wurden nicht richtig über die Corona-Regeln und alles andere informiert. Es gab keinerlei Kommunikation.“

Zitate aus: Gefährdetes Leben. Alltag und Protest in Flüchtlingsunterkünften während der Corona-Pandemie

Auch bei der Impfkampagne laufen geflüchtete BewohnerInnen von Sammellagern in NRW Gefahr, aus den Augen und aus dem Sinn zu geraten: Obwohl sie in der Priorisierungsgruppe 2 der Impfverordnung aufgeführt sind, hatte die Landesregierung NRW es bis April 2021 noch nicht einmal geschafft, ein Konzept für die Information und Impfung der BewohnerInnen abzustimmen

Erst durch öffentlichen Druck kam in den zuständigen Ministerien Bewegung in die Sache. Doch auch Ende Mai haben die wenigsten BewohnerInnen von Landesunterkünften eine Impfangebot, geschweige denn einen vollen Impfschutz bekommen. 

Die Isolation der BewohnerInnen hat sich durch die Corona-Pandemie noch einmal erheblich verschärft: Der Besuch von Ehrenamtlichen oder FreundInnen in der Einrichtung ist untersagt, und im Quarantänefall ist für die Betroffenen kein Verlassen des Geländes mehr möglich. Dabei ist die Situation schon zu „normalen“ Zeiten von massiver Isolation geprägt: Schulbesuch für Kinder, Ausbildung, die Sprache lernen, Freunde kennenlernen, Arbeit finden, eine Therapie beginnen, Ankommen und zur Ruhe kommen…. all das, was nach einer oft traumatischen Flucht eigentlich dringend nötig und wichtig wäre, geht vom Lager aus nicht oder fast nicht. 

Gleichzeitig finden immer wieder Abschiebungen aus den Lagern heraus statt, die ebenfalls während der Pandemie nie unterbrochen wurden. Für alle anderen Bewohnerinnen und vor allem für Kinder stellt das Miterleben von frühmorgendlichen Razzien und Abschiebungen einen enormen Stress dar. Viele leiden unter Schlaflosigkeit und entwickeln psychische Probleme. 

Wir sind deshalb der Meinung, dass die Lagerpflicht für Geflüchtete abgeschafft gehört. Sammelunterkünfte für Geflüchtete können nur eine Unterbringungsmöglichkeit in den ersten Wochen für diejenigen sein, die sonst keine Unterkunft haben. Der Sinn und Zweck von Lagern über diese erste Unterbringung hinaus besteht aber einzig und allein in der vereinfachten Verwaltung und Kontrolle von Menschen, in der Vereinfachung von Abschiebemaßnahmen und in Abschreckung. Das darf kein Grund sein, Menschen in Isolation und unter  krankmachende und gefährliche Bedingungen zu zwingen, ihnen Monate und Jahre ihres Lebens zu rauben, in denen sie sich keine Zukunft aufbauen können.

Wenn letzten Endes psychisch zermürbte Menschen in die Kommunen kommen, ist niemandem geholfen.